Einführung in die Prozessarbeit

Die Prozessarbeit wurde in den 70er und 80er Jahren von Dr. Arnold Mindell entwickelt. Mindell, ein amerikanischer Physiker, war zu dieser Zeit als Lehranalytiker am C. G. Jung - Institut in Zürich beschäftigt. Dort erkannte er, dass es einen Zusammenhang zwischen Träumen und Körpersymptomen gibt. Er fand Muster, die sowohl der Traumerfahrung als auch dem erlebten Schmerz zugrunde liegen und nannte daher seine Methode „Traumkörperarbeit". Die gleichen Muster entdeckte er sodann in den Beziehungen seiner Klienten. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu seiner Methode und seinen Erfahrungen aus der Arbeit mit Paaren, großen Gruppen, politischen Fraktionen, Sterbenden und Personen in extremen Bewusstseinszuständen. (siehe Literaturliste)
Später nannte er seine Art der Therapie „Prozessarbeit" oder „Prozessorientierte Psychologie", da er den Prozess, der sich beim Klienten zeigte, aufgriff und ihm folgte, bis dieser seine Information preisgab.
Sein Ziel ist es, eine höhere Bewusstheit darüber zu erlangen, was und wie wir wahrnehmen.
Wir können uns maßgeblich in sechs Kanälen erfahren und ausdrücken:
dem visuellen (über das Sehen), dem auditiven (über das Hören), dem propriozeptiven (über das Körperempfinden), dem kinästhetischen (über die Bewegung), dem Beziehungs- und dem Weltkanal.
Die ersten vier Kanäle sind Grundkanäle und liefern uns Signale sowohl von innen (Traumbild, innere Stimme, Schmerz, Zittern) als auch von außen (ein Gesicht, das uns fasziniert; ein Lied, das uns an eine vergangene Liebe erinnert ...).
Die anderen zwei Kanäle sind Mischkanäle, können aber nicht zerteilt werden, ohne an Information zu verlieren. Jede Beziehung hat ihren Beziehungsmythos, der gelebt werden will. Der Weltkanal konfrontiert uns mit Synchronizitäten.
Signale können sowohl primär als auch sekundär sein. Beide können bewusst oder unbewusst sein.
Die primären Signale passen zu dem, was wir sagen und gehören zu unserem primären Prozess, d.h. zu dem Teil unserer Persönlichkeit, mit dem wir uns identifizieren.
Die „Doppelsignale" entspringen dem sekundären Prozess, den Aspekten unseres Selbst, die uns verunsichern, uns Angst machen oder peinlich sind und die wir deshalb möglichst ausgrenzen. Diese sekundären Aspekte sind aber auch Anteile unseres Traumkörpers, die erkannt und integriert werden möchten. Daher senden sie Signale durch die sechs Kanäle, die in Form von Traumfiguren, kritischen Bemerkungen, Körpersymptomen, spontanen Bewegungen, Beziehungsproblemen oder erschreckenden Nachrichten, uns zu erreichen versuchen.
In der Prozessarbeit können wir diesen Signalen in den Kanälen folgen, in denen sie auftreten, indem wir sie wie in der Alchemie verstärken, bis sie ihre komplette Energie und Qualität offenbaren.
Wir können aber auch dem Prozess durch die verschiedenen Kanäle folgen, bis das zugrundeliegende Muster deutlich wird. So können wir ein Körpergefühl in Bewegung umsetzen, einen passenden Ton dazu finden, ein Bild aufsteigen lassen von der Figur, die sich dahinter verbirgt und schließlich zu diesem Wesen in Beziehung treten.
Unter der Ebene der Signale und daher auch unter der Traumebene finden wir die „Flirts" . Sie sind noch subtiler, treten spontan auf und verschwinden binnen Sekunden. Sie werden sofort von unserem Ich als irreal angesehen, zensiert und unverzüglich vergessen.
So ein Flirt ist z.B. das Gesicht, das du in der Maserung deiner Tischplatte siehst, die du gerade gedankenversunken anstarrst. Es ist das Lied, bevor es gesungen wird, ein ganz leichtes Schwindelgefühl, eine Bewegungstendenz, ein kurz aufgeschnappter Geruch oder die Ahnung, wer am Telefon ist.
Greifen wir diese Flirts auf und geben ihnen die Chance, sich zu entfalten, können wir ihre Manifestation in Form von Körpersymptomen oder Beziehungsproblemen vermeiden. Verstehen wir die Message auf der Flirtebene, so brauchen wir möglicherweise keine schmerzhafteren Signale.
Diese Flirts steigen aus der Essenzebene auf, die allem zugrunde liegt und uns eins sein lässt mit der Welt um uns herum. Es ist das Tao, das nicht ausgesprochen werden kann.
Wir können diese Flirts in der Natur aufgreifen und ihnen folgen. Sie sind überall, zu jeder Zeit. Wir müssen uns nur entspannen und ihrer gewahr werden. Sie sind die Antwort auf die Frage, die wir auf dem Herzen haben oder die Reaktion Gottes auf unser unausgesprochenes Gebet.